Prague Biennale 4

Maja Bajevic, Sigalit Landau, Daniel Pešta, Ulrike Rosenbach

Karlínská hala, Praha 14/5/2009 – 26/9/2010

Wo-man power

Eine imaginäre Zahl von Frauen und eine imaginäre Zahl von Männern als Zeugen des Augenblicks menschlichen wie posthumen Seins. Der Feminismus ist existentiell. Bei jedem Künstler dieser Sektion markant und unverwechselbar. Expressiv oder nach innen gewandt konserviert, gemeinschaftlich oder streng privat. Eine Art humanitärer Symbiose durchdringt die Werke der ausgewählten Künstler, die schon lange die Grenze der Länder hinter sich gelassen haben, aus denen sie stammen.

Eine Gemeinschaft, die gegen unsinnige Diktate klagt und sich ihnen widersetzt, ein Rufen nach Freiheit und Unabhängigkeit, ein Protest gegen Gewalt und Machtmissbrauch. Eine Art stigmatisches Luftloch als Sehnsucht nach einer Welt, wo jeder Einzelne das Recht auf Entfaltung seiner eigenen Persönlichkeit hat.

Die zeitgenössische visuelle Kunst, einschließlich Video, Photographie, Malerei und Skulptur, verdankt ihre Qualität und Faszination in erheblichem Maß der Anfang der sechziger Jahre entstandenen feministischen Kunstbewegung.
Die Entwicklung dieses fiebrigen Aktivismus der damaligen Jahre zeitigt langfristige Folgen, die man in der heutigen globalen Welt gut beobachten kann. Schon lange geht es nicht mehr darum, wo diese Kunst geographisch entsteht, ob im Westen oder hier bei uns – im Gegenteil, die feministischen Tendenzen breiten sich rasch und drängend in die Länder des Ostens aus und erhalten einen neuen politischen Inhalt, der in vielen Fällen für die Künstler selbst zur Gefahr wird. Frauen in Ländern, die bisher unter Kriegsbedingungen oder unter dem Einfluss einer Religion mit Elementen des Fanatismus lebten, suchen nach ihrer Identität, und ihr Selbstbewusstsein formiert und definiert sich auf elementarere Weise als in den stabileren politischen Systemen.

Die in Jerusalem geborene Sigalit Landau ist eine der erfolgreichsten Künstlerinnen Israels. Ihre Kunst beruht im Ausdrücken von Schmerz, in der Erhabenheit, in Leid und Grazie, im Naturalismus sowie im Chaos der Moderne und dem souverän bewältigten Dualismus. Sie verlangt von ihrem Werk, das es frei von Sentimentalität ist. Ihre Installationen und sonstigen Arbeiten sind sehr kritisch. Vergangenheit und Gegenwart sind ineinander verflochten. Häufig geht es um die Todsünden, um globale Konflikte. Um Grenzen, Identifikation und Entfremdung. Extreme Ausdrucksmittel sind für sie typisch. Sigalit Landau setzt ihren Körper als Kompass ein, mit dessen Hilfe sie die verlorene Orientierung auf äußerlich-animalische oder auf poetische Art sucht. Die Suche nach Gleichgewicht verläuft unterschiedlich, geistig, philosophisch, naturalistisch oder symbolisch. Sigalit Landau legt ihre Wahrnehmung der Welt vielschichtig an. Sie sieht die äußere und die innere Welt, Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart als ein einziges Ganzes.

Die in Sarajewo geborene Maja Bajevic stammt aus einem von Opfern und Faschismus geprägten Land, aus einem Land der religiösen Unverträglichkeit. Ihr ganzes Werk wird von einer klaren und lautstarken Kritik an der politischen Diktatur und einem Anspruch auf Aufdeckung des vergewaltigten Rechts und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit durchzogen. In ihren Videos, Performances und Installationen geht sie unablässig auf Konfrontationskurs und verbindet private Dinge mit öffentlichen Angelegenheiten, Intimität mit Politik. Hauptthema bleiben die Enthüllung der Wahrheit, der Machtmissbrauch, die Perversion fanatischer Religionen und das Abschieben des Einzelnen an den Rand der Gesellschaft. Im Werk von Maja Bajevic finden wir ein breites Spektrum: eine Realität, die sich diametral von der Realität der Institutionen, des Diktats und der herrschenden Hierarchien sowie der religiösen Unverträglichkeit unterscheidet, die kollektive Identität und das Schicksal, der Anspruch des Einzelnen wie der Gruppe auf eine Umbewertung der bestehenden oder erlebten Werte. Die Tragik aggressiver Vorbilder und Mechanismen, die Frau als Zeugin dieser schicksalhaften Konstellationen.

In der westlichen Welt pluralisiert sich die feministische Bewegung in gewissem Sinne. Hier definieren nicht nur Frauen offen ihre Sexualität, sondern auch Männer beginnen ihre Identität zu suchen, und das nicht nur im Verhältnis zu den emanzipierten Frauen. Die Legalisierung der Homosexualität, lesbischer Beziehungen und der Transsexualität öffnet und zeigt die männliche Verletzlichkeit und ermöglicht so einen Einblick in das männliche Innenleben.

Ulrike Rosenbach gehört bereits seit Anfang der siebziger Jahre zu den wichtigsten Persönlichkeiten der Medienkunst in Deutschland sowie weltweit. Sie gründete die Schule des kreativen Feminismus. Als Schülerin von Joseph Beuys nahm sie in der feministischen Kunst eine feste Position ein. Ihre unermüdliche Kritik am normal tradierten Bild der Frau ist eines der Hauptthemen ihrer Arbeiten. In unzähligen Performances thematisiert sie immer wieder alle Klischees, die den Unterschied zwischen den Geschlechtern und die Rollenteilung zwischen Mann und Frau betreffen. Sie erinnert daran, dass das Leben vielschichtig und interdisziplinär ist. Und sie weist darauf hin, dass es eine Aufgabe der Kunst ist, Probleme aufzuzeigen, die bereits morgen ganz andere sind. Ulrike Rosenbach betont komplizierte Lebenszusammenhänge, die häufig kollektiv unterdrückt werden. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen hat sie neue Aspekte feministischer Kunst definiert, und auch heute gibt sie Fragen nach den fundamentalen Werten der Zukunft und besonders der Meditation Raum. Mit kämpferischen und selbstbewussten Provokationen tritt sie gegen Vorurteile auf. Sie stellt nicht sich selbst in den Vordergrund, sie verweist nicht auf die Schönheit des sich ausstellenden Körpers, sondern schafft eine Art autonomer, von der Realität losgelöster Welt, eine Art privaten Tanz im ihr selbst vorbehaltenen Raum. Sie schreitet einen überzeitlichen Weg Hand in Hand mit der Vergangenheit in eine Richtung entlang, in der wir die Wiege aller Weiblichkeit erahnen.

Wo-man power wird durch einen einzigen Mann vertreten: Daniel Pešta, der sich immer feministisch dem Bild der Frau angenähert hat. Es gelingt ihm, Eingang in ihre Natürlichkeit und Energie zu finden. Damit verschwindet die Frau als Objekt und verwandelt sich in ein Wesen, für das im imaginären Raum andere Gesetze gelten, womit sie universelle Sinnlichkeit gewinnt. Pešta scheint die Grenze der Polarität zwischen beiden Geschlechtern zu überschreiten, und er übernimmt – ohne seine eigene Identität aufzugeben – die Mitverantwortung für die Elternschaft, Mutterschaft wie Vaterschaft. So inhaliert er absichtlich die weibliche Energie, um in einer Art taoistischem Modell abzuwarten und die Prozesse zu verstehen, welche die Geschlechter polarisieren, und sie in ihren Uranfängen festzuhalten.
In den übrigen Werken legt er sorgfältig und mit mathematischer Genauigkeit Beweise des Erlebten und Zeugnisse der Lebenssituationen, politischer und sozialer Überschreitungen oder Gefühle vor. Niemand ist Richter oder Ankläger, die Dinge sprechen für sich, sie moralisieren nicht, sondern sagen aus. Die absolute Stille ist in einem materialisierten Dokument konserviert, das als Tagebuch des bereits Erlebten oder des Erwarteten fasziniert. 

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