Sowohl Pavla Aubrechtová als auch Vladimír Gebauer gehören zu einer tschechoslowakischen Generation von Künstlern, die ihr Schaffen Mitte der 70er Jahre in einem bedrückenden Umfeld aufnahm, in dem die Meinungsfreiheit auf allen künstlerischen Gebieten eingeschränkt war. Das Schaffen dieser beiden Künstler war fast nur ihrem engeren Freundeskreis bekannt. Sie knüpfen an die Tendenzen zum Experimentellen der 60er Jahre an. Beide Handschriften sind gut erkennbar und jeweils sehr typisch. Die Ausstellung im Museum Montanelli soll einen völlig neuen und einzigartigen Blick auf das Leben und die Arbeiten der beiden Künstler eröffnen.
Mehr als 40 gemeinsam verbrachte Jahre – und sie behielten beide ihre eigene Handschrift, bewahrten ihre eigene Herangehensweise an die Arbeit, büßten ihre eigenen Vorstellungswelten und die eigene sie ausmachende Identität nicht ein. Die Zeit blieb bei den Beneidenswerten stehen, so scheint es – oder leben sie außerhalb der Zeit?
Die sensible, im Kontext ihres ursprünglichen Schaffens erfolgte Installation der hier ausgestellten Werke von Aubrechtová und Gebauer wird kontrastiert durch eine Präsentation der Arbeiten des tschechischen Künstlers Radek Kratina. Einem Künstler, zu dem die beiden eine freundschaftliche, herzliche Beziehung hegten. Das künstlerischen Erlebnis dieser Ausstellungen sind keine stürmischen Maxima – es sind im Gegenteil: Bescheidenheit, Zartheit und eine über lange Jahre gewachsene künstlerische Praxis.
Pavla Aubrechtová widmete sich als Schülerin von Professor František Muzika zunächst feinen Tuscheillustrationen, um sich dann Anfang der 70er Jahre mit Grafik zu beschäftigen. Fast immer war die Natur Quelle ihrer Inspiration. Als freie Künstlerin in den 70er und 80er Jahren experimentierte sie mit verschiedenen technischen Verfahren. Dabei entstanden Federzeichnungen; sie integrierte Wachsemulsionen, Abdrücke farbiger Zacken, Nägel, Kollagen, Kleben und Beizen und beschäftigte sich mit dem Durchdringen und der Verletzung verschiedenster Räume.
Pavla Aubrechtová schafft Figuren, quadratische, gemalte Aquarelle, Pastelle und monochrome Reliefs, zusammengesetzte Zeichnungen, lyrische Abstraktionen. Es entstehen „Schachteln“, Assemblagen, Kompositionen, mit Fäden gefüllte Reagenzgläser. Sie knüpft damit an die Tendenzen zum Experimentellen der 60er Jahre an.
Ihre starke Beziehung zur Poesie und Natur manifestiert sich kontinuierlich. So nimmt es nicht wunder, dass sie alte japanische Poesie und Kaligraphie faszinieren. Oft ist es der Zufall, der die Inspiration für ein weiteres künstlerisches Werk hervorbringt. Der Zufall ist es auch, der die Künstlerin oft bis zu einer konzeptuellen Lösung mit eigener Handschrift führt. Aubrechtová ist in der Lage, den Zufall sichtbar zu machen und in verschiedenen Varianten vielfach zu wiederholen.
Es ist die Liebe zur Natur, die den gemeinsamen Nenner von Pavla Aubrechtová und Vladimír Gebauer bildet. Ihm, der sich künstlerisch zuerst in Zeichnungen ausdrückt, ist die Natur unerschöpfliche Quelle der Inspiration, die ihn sein Leben lang begleitet. Mit dem Übergang Gebauers von Zeichnungen zu Assemblagen finden sich wieder Fragmente der Natur – Holz, Steine, Sand, aber auch Aufzeichnungen menschlicher Geschichten in Kombination mit Papier werden zum Gegenstand des Ausdrucks.
Die geheimnisvollen Bilder und Assemblagen zeugen von einer ständigen Präsenz von Eindrücken und Erinnerungen aus den imaginären Welten der Flora – Wäldern vor allem. An anderer Stelle offerieren Landschaften, in denen Sand, Holz und Lehm, die mit Ölfarben vermischt wurden, Sinneseindrücke, die wiederum in abstrakten Äußerungen festgehalten sind.
Gebauers Liebe zur Poesie offenbart die Feinfühligkeit seiner Persönlichkeit, die in seinen Arbeiten durch die dynamische und naturalistische Handschrift deutlich wird. Die oft instinktive Wahrnehmung von Unrecht und eine eindeutige Positionierung zu moralischen menschlichen Werten in den Zeichnungen aus seinem Frühwerk lassen seinen sehr empfindsamen Charakter aufscheinen.
Der Kreis schließt sich und es reift im aufmerksamen Beobachter des Schaffens der beiden Künstler vielleicht die Erkenntnis, warum sich die beiden eher danach sehnten, Beobachter unseres modernen und schnellen Lebens zu werden, und das auch bleiben wollen.