VENEDIG – Bis Ende November dauert die größte internationale Kunstschau noch – die Biennale im italienischen Venedig. Während die nationalen Pavillons – ob gewollt oder ungewollt – die Kulturpolitik der einzelnen Staaten repräsentieren, wird das plastische Abbild der zeitgenössischen Kunst durch sog. Collateral Events – das stadtweite Begleitprogramm – abgerundet. Auf der renommierten Ausstellung Personal Structures ist die Tschechische Republik durch Daniel Pešta und seine Projekte „Verkündung“ und „Aufzeichnungen eines nächtlichen Kopfes“ vertreten.
Das Motto der diesjährigen Biennale lautet Alle Zukünfte der Welt (All The World Futures). Es handelt sich um ein Thema, das auch in den Werken verschiedener Künstler außerhalb der offiziellen Show anklingt. Zu ihnen gehört Daniel Pešta, der sich durch seine subjektiven Vorstellungen, Träume und Alpträume eine globale Vision der Zukunft der Menschheit erarbeitet hat. Und diese Vision ist nicht sonderlich erfreulich. Schon beim Betreten von Peštas Ausstellung im Palais Bembo am Fuße der Ponte Rialto begrüßt den Besucher ein doppelköpfiges Kalb. Der liebenswürdige Mutant aus zerbrechlich-weißem Wachs betrachtet mit einem Kopf das Bild eines regungslos daliegenden Wesens männlichen Geschlechts. Auf seinem möglicherweise toten, vielleicht auch nur schlummernden Körper schlüpft bereits der Keim neuen Lebens. Ist das ein Versprechen neuer Daseinsformen, die nach uns kommen werden? Ist es ein Zeichen für den definitiven Untergang biologisch bedingter Gesetzmäßigkeiten, die Prophezeiung des Endes der Wissenschaft, die von keiner anderen Religion mehr ersetzt wird?
Der anderen Kopf des Kalbs – gleichzeitig bezaubernd und grausig – betrachtet einen gläsernen Sarkophag, in dem eine zierliche Mumie liegt. Unter dem Wachstuch zeichnet sich klar eine Dornenkrone ab, die im Zusammenspiel mit der Position des steifen Körpers andeutet, dass es sich um Christus, vom Kreuz abgenommen, handelt. Die bekannte Silhouette stört jedoch Jesu schwangerer Bauch – die Verkündung einer neuen Hoffnung, die eine völlig andere Gestalt haben kann, als wir uns je vorstellen konnten.