Phänomen Roučka

Pavel Roučka

Saarländische Galerie, Berlin 5/2/2010 – 4/4/2010

Pavel Roučka gehört zu den wenigen Künstlern, deren Stil langfristig an Ausdruckskraft und Monumentalität gewinnt. Ursprünglich ging er aus der Strömung der neuen Figuration hervor, aber allmählich befreite er sich von den verschiedensten Einflüssen und gelangte zu einer eigenen unverwechselbaren Art des künstlerischen Ausdrucks. Er bewegt sich an der Grenze zur Abstraktion, aber aus seinen Bildern verschwinden die Spuren des Menschlichen nie ganz. Der Charakter einer Figur wird durch einfache zentrale Formen erfasst, die jedoch immer von der Erkenntnis der Wirklichkeit ausgehen und sich damit ihre Lebendigkeit bewahren. Früher arbeitete der Künstler mit prägnanten Farben, die er momentan allerdings häufig mit gedämpften Tönen überdeckt, so dass nur Fragmente bleiben. In den Bildern durchdringen sich die Räume. Mit verschiedenen Mitteln wird die Tiefe betont. Pavel Roučka arbeitet immer intensiver mit dem Licht. Bedeutsam ist natürlich auch der Inhalt. In seinen Bildern verflechten sich vielfältige Geschichten und Situationen. Wichtig sind für ihn charakteristische Bewegungen, die in verschiedenen Varianten immer wieder in seine Zeichnungen und Bilder zurückkehren.

Seit 2001 arbeitet Pavel Roučka mit Industrieplatten. Er tauschte den Pinsel gegen die Säge, die Fräsmaschine und den Bohrer. Die große unbefleckte und unpersönliche Fläche erhält durch die Spuren der Werkzeuge ihre Markierungen. Die Bilder werden im freien Raum installiert, da sie von beiden Seiten unterschiedlich wirken. Damit gehen sie eine noch intensivere Verbindung mit dem gewählten Umfeld ein. Der Maler greift manchmal auch zu anderen ungewöhnlichen Materialien. Er nutzt die Struktur des Zements, die manchmal sogar ein Bild dominiert, aus dem die Farbigkeit zur Gänze gewichen ist.

Pavel Roučkas künstlerische Äußerungen sind gerade dann am stärksten, wenn er seine Ausdrucksmittel so weit wie möglich beschränkt, wenn er das Farbspektrum dämpft oder nur dominante Akzente setzt. Wenn die Figur auf die notwendigsten Gesten vereinfacht wird und nur gewisse Gesten bleiben. Die Kraft seiner Malerei liegt in der Konzentration auf die Struktur, die Form, den Farbton. Dabei verschwindet das Motiv der Figur aber nicht völlig, sondern es belebt immer wieder aufs Neue den Ausdruck und liefert eine Verbindung mit der Wirklichkeit. Für Roučkas Arbeit waren Zeichnungen immer sehr wichtig, denn sie sind der Keim seiner späteren Bilder. So werden sie zu einem Tagebuch, in dem sich Einfälle niederschlagen, Vermerke über Eindrücke, Gefühle und Gedanken ihren Platz finden. Diese können dann jederzeit in einer anderen Form in die Bilder übertragen werden. Die Zeichnungen sind häufig sehr zart und zerbrechlich. Es handelt sich um Ausschnitte aus der Wirklichkeit und Informationen über unser Umfeld. Sie werden zu Berührungen, mit denen der Künstler verschiedene Prozesse, die sich in der Natur wie auch in der Gesellschaft abspielen, verstehen und umsetzen möchte. Pavel Roučka verwendet häufig Recyclingkarton und reißt die Formen manchmal aus seinen älteren Zeichnungen heraus. Gerade dann verbinden sich vielfältige Bedeutungsebenen mit den unterschiedlichen Zeiten, in denen die Zeichnungen geschaffen wurden. So entsteht zugleich eine Spannung zwischen den verschiedenen Phasen seines sich ständig verändernden Blicks auf die Welt. Die Bilder entwickeln sich mehrdeutig. Einige entstehen sehr spontan, natürlich, in einem Zug. Hier wirken die Kraft des Augenblicks, der glückliche Abschluss intensiver Bemühungen und häufig auch eines langen Suchens. Der Maler arbeitet systematisch und überlässt nichts dem Zufall. Manchmal übermalt er die Bilder mehrfach und sucht nach immer wieder neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Er strebt danach, jedes Thema bis ins letzte Detail zu behandeln und es erst dann endgültig zu verlassen: Es wird für ihn zur Vergangenheit. Sein Weg ist weder einfach noch eindeutig, sondern enthält auch Rückkehr und Neubewertung. Verstand und Gefühl befinden sich im Gleichgewicht. Außerdem wechseln klassische Mittel mit neuen Vorgehensweisen ab und ergänzen sich gegenseitig. Gerade in den letzten Jahren machte Pavel Roučka wichtige Entdeckungen. Er fand einige ungewöhnliche Ausdrucksmittel. Er benutzte Industrieplatten, die er mit Methoden der Industrie bearbeitet. So kommt es zum Kontrast zwischen der reinen Fläche und den Formen, die in sie eingearbeitet werden, wodurch sich verschiedene Ebenen und Räume verbinden. Zugleich wird so die Reinheit der unberührten Fläche mit den rauen Eingriffen verschiedener Werkzeuge verknüpft. Dadurch entsteht eine Spannung zwischen dem nüchternen minimalistischen Gespür und dem expressiven Eingriff, zwischen den klassischen Methoden und dem Mut zur Nutzung ungewöhnlicher oder nicht erprobter Vorgehensweisen. Die Anregungen erfolgen dabei manchmal zufällig und damit auf natürlichem Wege, so etwa in der Verbindung der Methode des Malers mit der des „Maurers“, wenn die Möglichkeiten der vom Zement geformten Struktur genutzt werden. Diese Methoden bewirken auch eine Veränderung des Ausdrucks, die zwangsläufig aus dem gewählten Material folgt.

Jiří Machalický

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